Zweiter Abschnitt
Pflichten des Arbeitgebers
§ 3
Grundpflichten des Arbeitgebers
(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen
Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände
zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der
Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu
überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten
anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz
der Beschäftigten anzustreben.
(2) Zur Planung und Durchführung der Maßnahmen
nach Absatz 1 hat der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Art
der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten
1. für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen
Mittel bereitzustellen sowie
2. Vorkehrungen zu treffen, daß die Maßnahmen erforderlichenfalls
bei allen Tätigkeiten und eingebunden in die betrieblichen Führungsstrukturen
beachtet werden und die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten
nachkommen können.
(3) Kosten für Maßnahmen nach diesem Gesetz darf
der Arbeitgeber nicht den Beschäftigten auferlegen.
§ 4
Allgemeine Grundsätze
Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes
von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen:
1. Die Arbeit ist so zu gestalten, daß eine Gefährdung
für Leben und Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende
Gefährdung möglichst gering gehalten wird;
2. Gefahren sind an ihrer Quelle zu bekämpfen;
3. bei den Maßnahmen sind der Stand von Technik, Arbeitsmedizin
und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse
zu berücksichtigen;
4. Maßnahmen sind mit dem Ziel zu planen, Technik, Arbeitsorganisation,
sonstige Arbeitsbedingungen, soziale Beziehungen und Einfluß der
Umwelt auf den Arbeitsplatz sachgerecht zu verknüpfen;
5. individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen;
6. spezielle Gefahren für besonders schutzbedürftige Beschäftigtengruppen
sind zu berücksichtigen;
7. den Beschäftigten sind geeignete Anweisungen zu erteilen;
8. mittelbar oder unmittelbar geschlechtsspezifisch wirkende Regelungen
sind nur zulässig, wenn dies aus biologischen Gründen zwingend
geboten ist.
§ 5
Beurteilung der Arbeitsbedingungen
(1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für
die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu
ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.
(2) Der Arbeitgeber hat die Beurteilung je nach Art der
Tätigkeiten vorzunehmen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist
die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend.
(3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben
durch
1. die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des
Arbeitsplatzes,
2. physikalische, chemische und biologische Einwirkungen,
3. die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln,
insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen
sowie den Umgang damit,
4. die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen
und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken,
5. unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten.
§ 6
Dokumentation
(1) Der Arbeitgeber muß über die je nach Art
der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten erforderlichen
Unterlagen verfügen, aus denen das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung,
die von ihm festgelegten Maßnahmen des Arbeitsschutzes und das Ergebnis
ihrer Überprüfung ersichtlich sind. Bei gleichartiger Gefährdungssituation
ist es ausreichend, wenn die Unterlagen zusammengefaßte Angaben
enthalten. Soweit in sonstigen Rechtsvorschriften nichts anderes bestimmt
ist, gilt Satz 1 nicht für Arbeitgeber mit zehn oder weniger Beschäftigten;
die zuständige Behörde kann, wenn besondere Gefährdungssituationen
gegeben sind, anordnen, daß Unterlagen verfügbar sein müssen.
Bei der Feststellung der Zahl der Beschäftigten nach Satz 3 sind
Teilzeitbeschäftigte mit einer regelmäßigen wöchentlichen
Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30
Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen*.
(2) Unfälle in seinem Betrieb, bei denen ein Beschäftigter
getötet oder so verletzt wird, daß er stirbt oder für
mehr als drei Tage völlig oder teilweise arbeits- oder dienstunfähig
wird, hat der Arbeitgeber zu erfassen.
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*Satz 4 eingefügt durch Artikel 9 des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes
vom 27. September 1996 (BGBl. I S. 1461), zuletzt geändert durch
Artikel 6 c des Gesetzes vom 19. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3843)
§ 7
Übertragung von Aufgaben
Bei der Übertragung von Aufgaben auf Beschäftigte
hat der Arbeitgeber je nach Art der Tätigkeiten zu berücksichtigen,
ob die Beschäftigten befähigt sind, die für die Sicherheit
und den Gesundheitsschutz bei der Aufgabenerfüllung zu beachtenden
Bestimmungen und Maßnahmen einzuhalten.
§ 8
Zusammenarbeit mehrerer Arbeitgeber
(1) Werden Beschäftigte mehrerer Arbeitgeber an einem
Arbeitsplatz tätig, sind die Arbeitgeber verpflichtet, bei der Durchführung
der Sicherheits- und Gesundheitsschutzbestimmungen zusammenzuarbeiten.
Soweit dies für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten
bei der Arbeit erforderlich ist, haben die Arbeitgeber je nach Art der
Tätigkeiten insbesondere sich gegenseitig und ihre Beschäftigten
über die mit den Arbeiten verbundenen Gefahren für Sicherheit
und Gesundheit der Beschäftigten zu unterrichten und Maßnahmen
zur Verhütung dieser Gefahren abzustimmen.
(2) Der Arbeitgeber muß sich je nach Art der Tätigkeit
vergewissern, daß die Beschäftigten anderer Arbeitgeber, die
in seinem Betrieb tätig werden, hinsichtlich der Gefahren für
ihre Sicherheit und Gesundheit während ihrer Tätigkeit in seinem
Betrieb angemessene Anweisungen erhalten haben.
§ 9
Besondere Gefahren
(1) Der Arbeitgeber hat Maßnahmen zu treffen, damit
nur Beschäftigte Zugang zu besonders gefährlichen Arbeitsbereichen
haben, die zuvor geeignete Anweisungen erhalten haben.
(2) Der Arbeitgeber hat Vorkehrungen zu treffen, daß
alle Beschäftigten, die einer unmittelbaren erheblichen Gefahr ausgesetzt
sind oder sein können, möglichst frühzeitig über diese
Gefahr und die getroffenen oder zu treffenden Schutzmaßnahmen unterrichtet
sind. Bei unmittelbarer erheblicher Gefahr für die eigene Sicherheit
oder die Sicherheit anderer Personen müssen die Beschäftigten
die geeigneten Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und Schadensbegrenzung
selbst treffen können, wenn der zuständige Vorgesetzte nicht
erreichbar ist; dabei sind die Kenntnisse der Beschäftigten und die
vorhandenen technischen Mittel zu berücksichtigen. Den Beschäftigten
dürfen aus ihrem Handeln keine Nachteile entstehen, es sei denn,
sie haben vorsätzlich oder grob fahrlässig ungeeignete Maßnahmen
getroffen.
(3) Der Arbeitgeber hat Maßnahmen zu treffen, die
es den Beschäftigten bei unmittelbarer erheblicher Gefahr ermöglichen,
sich durch sofortiges Verlassen der Arbeitsplätze in Sicherheit zu
bringen. Den Beschäftigten dürfen hierdurch keine Nachteile
entstehen. Hält die unmittelbare erhebliche Gefahr an, darf der Arbeitgeber
die Beschäftigten nur in besonders begründeten Ausnahmefällen
auffordern, ihre Tätigkeit wieder aufzunehmen. Gesetzliche Pflichten
der Beschäftigten zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche
Sicherheit sowie die §§ 7 und 11 des Soldatengesetzes bleiben
unberührt.
§ 10
Erste Hilfe und sonstige Notfallmaßnahmen
(1) Der Arbeitgeber hat entsprechend der Art der Arbeitsstätte
und der Tätigkeiten sowie der Zahl der Beschäftigten die Maßnahmen
zu treffen, die zur Ersten Hilfe, Brandbekämpfung und Evakuierung
der Beschäftigten erforderlich sind. Dabei hat er der Anwesenheit
anderer Personen Rechnung zu tragen. Er hat auch dafür zu sorgen,
daß im Notfall die erforderlichen Verbindungen zu außerbetrieblichen
Stellen, insbesondere in den Bereichen der Ersten Hilfe, der medizinischen
Notversorgung, der Bergung und der Brandbekämpfung eingerichtet sind.
(2) Der Arbeitgeber hat diejenigen Beschäftigten zu
benennen, die Aufgaben der Ersten Hilfe, Brandbekämpfung und Evakuierung
der Beschäftigten übernehmen. Anzahl, Ausbildung und Ausrüstung
der nach Satz 1 benannten Beschäftigten müssen in einem angemessenen
Verhältnis zur Zahl der Beschäftigten und zu den bestehenden
besonderen Gefahren stehen. Vor der Benennung hat der Arbeitgeber den
Betriebs- oder Personalrat zu hören. Weitergehende Beteiligungsrechte
bleiben unberührt. Der Arbeitgeber kann die in Satz 1 genannten Aufgaben
auch selbst wahrnehmen, wenn er über die nach Satz 2 erforderliche
Ausbildung und Ausrüstung verfügt.
§ 11
Arbeitsmedizinische Vorsorge
Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten auf ihren Wunsch
unbeschadet der Pflichten aus anderen Rechtsvorschriften zu ermöglichen,
sich je nach den Gefahren für ihre Sicherheit und Gesundheit bei
der Arbeit regelmäßig arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen,
es sei denn, auf Grund der Beurteilung der Arbeitsbedingungen und der
getroffenen Schutzmaßnahmen ist nicht mit einem Gesundheitsschaden
zu rechnen.
§ 12
Unterweisung
(1) Der Arbeitgeber hat die Beschäftigten über
Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit während ihrer Arbeitszeit
ausreichend und angemessen zu unterweisen. Die Unterweisung umfaßt
Anweisungen und Erläuterungen, die eigens auf den Arbeitsplatz oder
den Aufgabenbereich der Beschäftigten ausgerichtet sind. Die Unterweisung
muß bei der Einstellung, bei Veränderungen im Aufgabenbereich,
der Einführung neuer Arbeitsmittel oder einer neuen Technologie vor
Aufnahme der Tätigkeit der Beschäftigten erfolgen. Die Unterweisung
muß an die Gefährdungsentwicklung angepaßt sein und erforderlichenfalls
regelmäßig wiederholt werden.
(2) Bei einer Arbeitnehmerüberlassung trifft die Pflicht
zur Unterweisung nach Absatz 1 den Entleiher. Er hat die Unterweisung
unter Berücksichtigung der Qualifikation und der Erfahrung der Personen,
die ihm zur Arbeitsleistung überlassen werden, vorzunehmen. Die sonstigen
Arbeitsschutzpflichten des Verleihers bleiben unberührt.
§ 13
Verantwortliche Personen
(1) Verantwortlich für die Erfüllung der sich
aus diesem Abschnitt ergebenden Pflichten sind neben dem Arbeitgeber
1. sein gesetzlicher Vertreter,
2. das vertretungsberechtigte Organ einer juristischen Person,
3. der vertretungsberechtigte Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft,
4. Personen, die mit der Leitung eines Unternehmens oder eines Betriebes
beauftragt sind, im Rahmen der ihnen übertragenen Aufgaben und
Befugnisse,
5. sonstige nach Absatz 2 oder nach einer auf Grund dieses Gesetzes
erlassenen Rechtsverordnung oder nach einer Unfallverhütungsvorschrift
beauftragte Personen im Rahmen ihrer Aufgaben und Befugnisse.
(2) Der Arbeitgeber kann zuverlässige und fachkundige
Personen schriftlich damit beauftragen, ihm obliegende Aufgaben nach diesem
Gesetz in eigener Verantwortung wahrzunehmen.
§ 14
Unterrichtung und Anhörung der Beschäftigten des öffentlichen
Dienstes
(1) Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes
sind vor Beginn der Beschäftigung und bei Veränderungen in ihren
Arbeitsbereichen über Gefahren für Sicherheit und Gesundheit,
denen sie bei der Arbeit ausgesetzt sein können, sowie über
die Maßnahmen und Einrichtungen zur Verhütung dieser Gefahren
und die nach § 10 Abs. 2 getroffenen Maßnahmen zu unterrichten.
(2) Soweit in Betrieben des öffentlichen Dienstes keine
Vertretung der Beschäftigten besteht, hat der Arbeitgeber die Beschäftigten
zu allen Maßnahmen zu hören, die Auswirkungen auf Sicherheit
und Gesundheit der Beschäftigten haben können.
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